Informationsveranstaltung zeigt Möglichkeiten auf, wie Unternehmen pflegende Beschäftigte unterstützen können
Vechta – „Wie können Betriebe pflegende Beschäftigte unterstützen?“ Um diese Frage ging es in einer Informationsveranstaltung zum Thema Pflege und Beruf, zu der die Oldenburgische IHK und der Verbund familienfreundlicher Unternehmen e. V. Oldenburger Münsterland am Mittwoch in das Kreishaus in Vechta eingeladen hatte. „84 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden von Angehörigen zu Hause gepflegt, zumeist von Frauen. Die Mehrzahl davon ist berufstätig. Eine Doppelbelastung, die Auswirkungen für die Beschäftigten aber auch für die Arbeitgebenden hat“, machte Melanie Philip, Vizepräsidentin der Oldenburgischen IHK, in ihrer Einleitung zum Thema deutlich. Pflege beginne nicht erst, wenn jemand bettlägerig ist. Pflege umfasse auch Tätigkeiten wie Einkaufen, Begleitung zu Arztbesuchen, hauswirtschaftliche Tätigkeiten oder die Erledigung von Schriftverkehr, wie in den Vorträgen deutlich wurde. „Bis zu 49 Stunden pro Woche wenden pflegende Angehörige laut aktueller Studien für Betreuungstätigkeiten auf“, erläuterte Corinna Schwedhelm vom Netzwerkbüro „Erfolgsfaktor Familie“ aus Berlin. Das sei mehr als ein zweiter Vollzeitjob. „Pflege ist eine Schicht, die niemals endet“, fasste Danja Krampe von der Kompass GbR aus Osnabrück die Herausforderungen in ihrem Vortrag zusammen.
Die Folgen können gravierend sein, wie die Referentinnen aufzeigten: Vernachlässigung sozialer Kontakte und der eigenen Gesundheit, finanzielle Probleme, psychische und physische Erkrankungen, Leistungsabfall im Beruf bis hin zu Ausfällen aufgrund von Krankheit oder der Ausstieg aus dem Beruf. Zwar gäbe es mittlerweile viele Unterstützungsmöglichkeiten von staatlicher Seite oder auch in den Betrieben, wie z. B. flexible Arbeitszeiten oder finanzielle Unterstützung, wie Zuschüsse zu Beratungen oder Dienstleistungen, aber viele Betroffene würden die gar nicht nutzen, da ihnen die Informationen fehlten. Ein weiteres Problem sei, dass pflegende Beschäftigte häufig nicht mit ihrem Arbeitgebenden über die Belastung sprechen würden, da sie Nachteile befürchteten.
„Es ist die Entwicklung einer pflegesensiblen Unternehmenskultur erforderlich. Man muss ein ‚Grundrauschen‘ zu diesem Thema schaffen“, so die Forderung von Corinna Schwedhelm.
Eine Lösung kann die Ausbildung von betrieblichen Pflegelotsen in den Unternehmen sein, wie Danja Krampe vorstellte. Betriebliche Pflegelotsen sind als vertraute Ansprechperson im Unternehmen da, wenn in der Familie eines Mitarbeitenden ein Pflegefall eintritt. Sie helfen den Kolleginnen und Kollegen sich im „Pflegedschungel“ zurechtzufinden. In den Kursen der Kompass GbR lernen die angehenden Pflegelotsen, welche Leistungen es für pflegende Angehörige gibt und wie sie mit diesem „Blumenstrauß“ an Leistungen betroffene Kolleginnen und Kollegen professionell beraten und unterstützen können. „Unser Ziel ist es, dass pflegende Beschäftigte auch im Rahmen ihrer Pflegetätigkeit weiterhin ihrer Arbeit nachgehen können“, betont Danja Krampe.
Die ersten betrieblichen Pflegelotsen wurden in der Region bereits ausgebildet. Sie haben sich zu einem Pflegelotsen-Stammtisch zusammengeschlossen und treffen sich regelmäßig zu einem Austausch. Eine von ihnen ist Julia Lampe von der Firma Zerhusen Kartonagen GmbH in Damme. Seit sechs Monaten ist sie als Ansprechpartnerin für die rund 750 Mitarbeitenden der Firma Zerhusen bei Pflegefällen zur Stelle. „Die Hemmschwelle, über private Pflegesituationen zu sprechen, ist sehr groß“, berichtet sie aus ihrer Erfahrung. Daher habe sie in einem ersten Schritt im Rahmen von Informationsveranstaltungen und mit Flyern über das Angebot informiert. Wichtig sei auch, dass man als eine Vertrauensperson wahrgenommen werde. „Was die Mitarbeitenden mit mir besprechen, bleibt bei mir“, so Julia Lampe. Sie berät zu Unterstützungsangeboten, stellt Kontakte zu Pflegeberatern her und hilft beim Ausfüllen von Anträgen. Wichtig sei auch, dass die Geschäftsführung das unterstütze und hierzu eine Grundsatzentscheidung treffe, betont sie. Ihr Tipp an die Anwesenden: „Einfach erst mal anfangen.“
„Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist eines der wesentlichen Themen unserer Zeit. Ohne pflegende Angehörige hätten wir ein großes gesellschaftliches Problem“, betonte auch Erster Kreisrat Hartmut Heinen in seinem Grußwort. Zum Glück habe man im Landkreis noch entsprechende Strukturen. In diesem Zusammenhang verwies er auch auf die Angebote des Landkreises wie zum Beispiel den Senioren- und Pflegestützpunkt.
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